Kukuckskinder

Quelle: SPIEGEL ONLINE - 07. Dezember 2004, 13:43
URL: http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,331166,00.html

Hunderttausende Kinder in Deutschland haben einen rechtlichen Vater, der allerdings nicht ihr biologischer ist. Unwissende Väter sollen künftig nicht mehr die Möglichkeit haben, einen heimlichen Test machen zu lassen, um festzustellen, ob sie wirklich der Vater des Kindes sind. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und Justizministerin Brigitte Zypries wollen ein Gesetz durchbringen, dessen Paragraf 21 Vaterschaftstests, die ohne Einwilligung der Mutter durchgeführt werden, ab 2006 verbieten soll. Nun wird vehement über dieses geplante Gesetz diskutiert. Männerrechtler starten Unterschriftenaktionen, verteilen Flugblätter, Talkshows berichten und diskutieren, Politiker beziehen Stellung, kurzum, ein großer Teil der Bevölkerung wird das angekündigte Verbot seitens der SPD-Regierung nicht ohne massiven Protest hinnehmen. "Der Streit um den Kuckuckskinder-Test scheint fast so viele Emotionen zu wecken wie einst der hitzige Konflikt um die Reform des Abtreibungsrechts."

Als Argumente für das Verbot von heimlichen Vaterschaftstests führen die SPD-Politikerinnen unter anderem das Recht des Kindes auf seine informationelle Selbstbestimmung an. Demnach ist es nicht erlaubt, ohne Einwilligung des Kindes oder seines gesetzlichen Vertreters, dessen Genmaterial zu entwenden und zu untersuchen.

Ein weiteres Argument ist die Möglichkeit, dass zum Beispiel die "böse" Schwiegermutter einfach ein Haar oder eine Speichelprobe des entsprechenden Kindes untersuchen lässt und bei einem negativen Testergebnis so die Ehe kaputt machen könnte. Laut Bundesjustizministerin Zypries sei es möglich, dass so per Gentest von Dritten "rechtswidrig in sozial funktionierende Familien eingegriffen [werde]".

Aus diesem Grund muss für eine gentechnische Untersuchung die Zustimmung aller Beteiligten gegeben sein. Organisationen, wie der "Väteraufbruch für Kinder" halten diese Regelung für völlig absurd. Durch diese Regelung bekommt die Mutter, "der eine Falschaussage zu Vaterschaft und 'Fremdgehen' unterstellt wird" die Möglichkeit, ganz einfach die Aufdeckung eben dieser Falschaussage zu verhindern. Wird jemanden fälschlicherweise ein Kind "untergeschoben" kann dies laut Strafgesetzbuch-Paragraf 169 ""mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft [werden]".

Für das Verbot von heimlichen Vaterschaftstests ist die Bundesarbeitsgemeinschaft der forensischen Blutproben-Gutachter. Sie vertritt zwar die Meinung, dass jeder Mensch das Recht auf die Klärung seiner Abstammung habe. Jedoch darf durch einen heimlichen Vaterschaftstest nicht die Zivilprozessordnung außer Acht gelassen werden, die besagt, dass ein Test ohne die Zustimmung aller Beteiligten "ausschließlich auf der Basis eines richterlichen Beschlusses" gestattet ist.

Zwischen den Gerichtssachverständigen und den privaten Test-Labors herrscht allerdings ein starker Konkurrenzkampf, bei dem es um viel Geld geht. Private Labors verdienen mit heimlichen Tests sehr viel Geld, wären also von einem Verbot dieser Tests sehr stark betroffen, während die staatlichen Gutachter von einem Verbot profitieren würden, da dann sicherlich mehr Väter einen Vaterschaftstest über den gerichtlichen Weg machen ließen.

Ungefähr drei Dutzend Unternehmen führen in Deutschland jährlich etwa eine fünfstellige Zahl von Vaterschaftsnachweisen durch. Laut den Statistiken wird dabei bei jedem vierten Test nachgewiesen, dass der Auftraggeber nicht der leibliche Vater des entsprechenden Kindes ist.

  Vaterschaftstest unkommerziell